Verein der Schiffsingenieure in Bremen e. V.
Die Reifenpanne – Fortaleza, 1984
Wir waren mit dem Schiff in Brasilien und lagen an der Pier von Fortaleza. Es war so um vier Uhr morgens. Außer der Wache schliefen noch alle. Plötzlich wurde es unruhig: Das Schiff wurde zum Auslaufen klar gemacht. An Schlaf war nicht mehr zu denken, der Aufgang zur Brücke führte direkt an meiner Koje vorbei und die Trennwände waren sehr dünn. Beim Ablegen rappelte und klapperte es kräftig, aber diesen Krach kannte ich schon vom An- und Ablegen. Anschließend kehrte dann normalerweise wieder Ruhe ein, und ich hätte noch bis sieben Uhr schlafen können.
Aber diesmal war es nicht so, es wurde viel laut hin und her geschrieen. Das Bugstrahl und die Motoren wurden ungewöhnlich rauf- und runter gefahren. Dann, auf einmal, stand alles und es war ungewöhnlich ruhig. Irgendetwas war sicher wieder ausgefallen. Ich saß schon aufrecht in der Koje und wartete auf die Dinge, die kommen mussten. Da klopfte es auch schon und gleichzeitig ging die Tür auf. Etwas blass und mit hängenden Schultern kam der Alte rein, setzte sich vorsichtig mit seinen einhundertzehn Kilo auf den einzigen Stuhl und meinte: "Ich habe den Backbordmotor abgewürgt und mit nur einem Motor können wir keine Bohrinsel verschleppen!"
„Beruhige dich erst mal und dann sehen wir weiter. Bei der Agentur können wir noch nichts erreichen!“
„Bestell einen Taucher bei dem Charterer, er braucht das Schiff und ein anderes ist zurzeit nicht hier!“
Kurze Zeit später kamen zwei Taucher mit Ausrüstung und der Charterer. Scheinwerfer wurden aufgestellt, langsam wurde es schon hell. Die Taucher sprangen über die Heckrolle ins Wasser. Kurz darauf tauchten sie schon wieder auf und kletterten an Deck.
Der Backbordpropeller hatte sich in einen Caterpillerreifen eingearbeitet, oder besser, der Propeller hatte sich den Reifen wie einen Schal umgelegt. Das wollte ich auch mal sehen und tauchte kurz runter. Es sah toll aus: Um die Propellerenden lag der dicke Reifen, der den Motor abgewürgt hatte.
Mittlerweile war es kurz nach acht Uhr und ich schickte ein Telex an die Reederei: "Wir haben mit dem Schiff eine "Reifenpanne", die wir erst beheben müssen, um den bevorstehenden Schlepp machen zu können." Der Alte meinte noch: "Wenn du das abschickst, bekommen wir Ärger!" Mir war es den Spaß wert. Er war sowieso sauer, dass ausgerechnet ihm das passieren musste.
Keine halbe Stunde später kam der Agent mit einem Telex von der Reederei: "Ob es ein Telexfehler sei oder ein besonderer Spaß sein soll!" Sie meinten natürlich, ob wir zu lange und zu heftig gefeiert hätten. Und ich sollte umgehend bei ihnen anrufen. Aber, das konnte ich auch später noch machen, sollten die doch erstmal ein bisschen schmoren.
Die Taucher schnitten den Reifen in drei Teile und wir hievten sie mit der Winde an Deck. Zusammengelegt ergab der Reifen einen Durchmesser von zweimeterdreißig.
Die "Reifenpanne" war somit behoben, die Motoren liefen und der Backbordpropeller drehte wieder frei. Ich informierte die Reederei und der Kapitän konnte mit dem Schiff und seinen Mannen den Schlepp durchführen.